Über den Wolken und doch auf festem Boden*

Eine Bergfahrt auf den Kilimanjaro und Mount Kenia in Ostafrika
08. 2001
 
Selbst wenn auf einem Gipfel ein Ziel erreicht scheint, man die Aussicht genießt und im Moment glaubt, für einige Zeit genügend Berg erlebt zu haben, treibt es einen Bergsteiger bereits zu Hause in Gedanken zu neuen Zielen, sodaß sich eine Leidenschaft entwickelt, die stets ein Streben nach neuen Abenteuern ist.

Beim Lesen eines Buches mit dem Titel "Bergsafari" in Ostafrika erweckt in mir erstmals das Interesse für ein Gebiet, das vielleicht zu den interessantesten Gebirgsformationen der Erde zählt und eine Flora präsentiert, die weltweit einzigartig ist.


Regionale Beschäftgungspolitik

Zwei Jahre später stehen wir mit unserem schweren Gepäck in Warteposition vor dem Visum-Schalter am Kilimanjaro-Airport/Tansania und hoffen, die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Es stellt sich gleich heraus, daß mit dem entsprechenden "Kleingeld" die Sache unbürokratisch erledigt wird. Vor unserer Ankunft hat es 3 Wochen geregnet und von unserem Berg, dem Kilimanjaro, ist weit und breit nichts zu sehen. Unser Führer und die Trager, ohne deren Begleitung ein Aufstieg aufgrund der regionalen Beschäftigungspolitik verboten ist, schultern unser Marschgepäck für die 6-tägige Tour und ziehen vom Dorf Macharne in den feuchten Regenwald. Der Waldbewuchs ist derart dicht, daß wir bereits am vormitlag glauben, die Dämmerung setze ein. Der 5-stündige Marsch zum Macharne Camp auf 2.990m wird zur Schlammschlacht, wobei wir teilweise bis über den Schuhrand im aufgeweichten Erdreich des Regenwaldes versinken. Am Abend werden unsere Schuhe etc. am Lagerfeuer getrocknet. Erst im Zelt sind wir vor weiterer Nässe geschützt. Der Regenwaldgürtel liegt hinter uns und wir steigen über die Buschzone weiter aufwärts bis zum Shira-Piateau auf 3.880m. ln dieser Höhe, in der nur mehr Heidekraut gedeiht, schlagen wir unser nächstes Camp auf. Als wir morgens aus unserem Zelt kriechen, können wir erstmals den Gipfel des Kilimanjaro sehen. Nun wissen wir auch, wohin wir uns wenden müssen!


Blind am Gipfel

Nachdem das Lager abgebaut ist, durchsteigen wir eine Steinwüste und vegetationslose Lavarücken, um schließlich den Lava-Tower auf 4.655m zu erreichen. Der Gipfel dieses Felsturms bietet eine herrliche Aussicht bis weit hinaus ins afrikanische Flachland. Beim Bouldern am Lavafels vertreiben wir uns den Nachmittag. Die letzte Nacht vor der Gipfeletappe verbringen wir am Arrow Glacier auf 4.900m. Wir befinden uns bereits über Mont-Bianc-Höhe und können kein Auge zu tun. Bis zu unserem Abmarsch um 1h zählen wir die Stunden und sind dann froh, als wir unter dem glänzenden Sternenhimmel unserem Ziel wieder ein Stück näher rücken. Der Weg führt uns über die steile "Western-Breach"-Route bis hin zum Kraterrand, wo erstmals das ewige Eis des Furtwangler-Giaciers berührt wird. Leider verschlechtert sich das Wetter schlagartig und die letzten 200 Hm Anstieg zum Gipfel sind nur bei Sturm möglich. Um 06.00h erreichen wir den höchsten Punkt Afrikas, den 5895m hohen Uhuru Peak. Der Sturm und der gefrierende Nebel nehmen uns zur Gänze die Sicht, und so verlassen wir nach einem kurzen Gipfelfoto diesen eiskalten Ort und marschieren zurück in die Zivilisation. Nach dem 2-tägigen Abstieg können wir uns im Springland-Hetel in Moshi endlich unserer Körper- und Materialpflege widmen und auf unseren Gipfelsieg anstoßen.


Schlammschlacht mit artenreicher Flora belohnt

Am nächsten Morgen bringt uns ein Bus in einer Tagesfahrt über die Grenze nach Nairobi in Kenia. Nachdem der Preis fixiert wurde, fahren wir mit einem Taxi weiter nach Chogoria, unserem Ausgangspunkt für die Besteigung des Mount Kenia. Mit einem allradbetriebenen Jeep quälen wir uns durch den verschlammten Regenwald und trotz Kettenmontage müssen wir mehrmals aussteigen, um das Fahrzeug aus dem Schlamm zu befreien. Nach 3,5 Stunden Rallyepur erreichen wir das Ende der Straße auf 3.200m. Als zweithöchster Berg Afrikas besticht der Mt. Kenia durch seine artenreiche Flora; beginnend mit dem urigen Regenwald, der in den Bambuswald übergeht, der Hochebene mit den verschiedensten Strohröschen, sowie dem Riesenerika und schließlich der alpinen Zone, in der die einzigartigen Riesenseneden und Straußenfedelobelien gedeihen.


Das Bergsteigerherz gerät ins Schwärmen

Im Vergleich zum Kilimanjaro schlägt hier das Bergsteigerherz höher, denn die Gipfelregionen des Mt. Kenia sind steil und schroff und den Kletterern vorbehalten. Unseren ersten Stützpunkt, die Minto's Hut, eine verwahrloste Blechhütte auf 4.250m, erreichen wir bei Graupel und Schneeschauer. Das Wetter ist seit einer Woche unbeständig und Regen oder Schneefall sind an der Tagesordnung. Trotzdem gelingt uns am nächsten Tag die N-S-Überschreitung des 3.höchsten Gipfels im Mt. Kenia-Massiv, des 4.985m hohen Pt. Lenana. Hier können wir erstmals in die SO-Wand des 5.188m hohen Nelion, einen der beiden Hauptgipfel des Mt.Kenia, einsehen. Durch diese Wand soll der morgige Anstieg führen.


Herrlich einsamer Punkt

ln der Austrian Hut, dem höchsten Stützpunkt im Massiv, wird unser Gipfeloptimismus wieder getrübt, denn es beginnt abermals Schneeregen, der den Fels in spiegelglatte Flächen verwandeln kann und den Aufstieg unmöglich macht. Um so mehr sind wir überrascht, als wir am nächsten Morgen gute Bedingungen vorfinden. Die Nacht war für eine Vereisung nicht kalt genug und so geniesen wir jede Seillänge, die wir in der Morgensonne klettern können. Über teils ausgesetzte Passagen im IV. Grad bei gleichzeitiger Vorsicht in der Routentindung erreichen wir gegen Mittag denn Gipfel des Nelion. Glücklich über unsere Leistung, wir sind auf Grund des Schlechtwetters seit 13 Tagen die 2. Seilschaft. die den Gipfel erreichen konnte, genießen wir die Ruhe an diesem herrlich einsamen Punkt. Die rasche Bewölkungszunahme mit Donnerbegleitung zwingt uns zum Abstieg und über eine von Osterreichern installierte Abseilpiste erreichen wir nach 3 Stunden wieder den Wandfuß.



* Dieser Artikel ist 2001 in der ÖAV-Zeitschrift, im 140er und in den St.Lambrechter Nachrichten erschienen