Eine „Grenzerfahrung“ im Karst



Zwischen den Fronten im "kalten Krieg" zweier ehemaliger Bruderstaaten Jugoslawiens.
10. 2016
 

Ein kleiner slowenisch-kroatischer Grenzübergang irgendwo in Istrien. Niemandsland gibt es keines mehr. Man befindet sich ja schließlich auf dem Territorium der Europäischen Union.  Die slowenischen und kroatischen Beamten sitzen dicht an dicht in zwei engen Kojen mit großem Fenster. Als sich unser Wagen nähert, reagiert der slowenische Beamte zunächst nicht. Wir glauben zum kroatischen Kollegen weiterrollen zu dürfen. Erst im Rückspiegel erkennen wir, dass er die Pässe doch sehen will. Wir setzen einen Meter zurück. Mit strenger Miene kontrolliert er die beiden Dokumente und stellt die etwas dreiste Frage: What are you doing here? Leicht irritiert antworten wir, dass wir zum Wandern kämen. Nicht nur weil wir schon auf Reserve sind sondern auch um ihn abzulenken, fragen wir nach der nächsten Tankstelle und bekommen die leicht absurde Antwort, dass wir nur sechs 6 Kilometer zurückfahren müssten. Leicht widerwillig werden uns die Pässe ausgehändigt und wir setzen unseren Grenzübertritt zwei Meter weiter fort. Ein junger kroatischer Grenzbeamter antwortet nach kurzem Studium unserer Gesichter auf die gleiche Frage freundlich, dass die nächste Tankstelle lediglich 9 Kilometer entfernt in der nächsten kroatischen Stadt zu finden sei. Er hat im Gegensatz zu seinem slowenischen Kollegen richtig erkannt, dass wir uns auf dem Weg nach Kroatien befinden. Vielleicht hat er dabei auch patriotisch gedacht und wollte seinen Landsleuten ein Geschäft vermitteln, während der slowenische Kollege mit seiner absurden Auskunft dem wenig geliebten südlichen Nachbarn dieses Business gerade eben nicht gönnen wollte.

Rückfahrt über denselben Grenzübergang einige Stunden später. Dieses Mal erwartet uns ein weniger freundlicher Beamter im kroatischen Teil des Grenz-Häuschen gegenüber. Ihn, der es mit den Pässen ziemlich genau nimmt, beschäftigt vor allem die Frage, ob es sich bei den Personen im Auto um jene handelt, die auf den Fotos der Reisedokumente abgebildet sind. Während der Fahrer wegen hoher Unverwechselbarkeit rasch identifiziert ist, dauert es bei mir etwas länger, sodass ich beinahe annehmen muss, dass er vielleicht versehentlich die Seite mit dem Indien-Visum aufgeschlagen hat, auf der ein Foto mit mittlerweile abrasiertem Bart zu sehen ist. Die Übereinstimmung ist schließlich aber doch festzustellen, sodass nun der slowenische Beamte seines Amtes walten darf oder vielmehr muss. Nur mit äußerster Unwilligkeit wird er aus seinem Grenzkojen-Tagtraum gerissen und läßt uns dies mit verschärftem wienerischem Grantlerblick spüren. Passieren dürfen wir vermutlich deshalb rasch, weil sein Traum ja noch nicht aus war.