In Sachen Fußball und Bier

Die Ruhrmetropole Dortmund überrascht mit mehr als nur der Leidenschaft für das runde Leder und Hopfen & Malz.
4. 2018
 

Was mag es wohl für Gründe geben, nach Dortmund zu fahren? „Fußball und Bier“, hieß es dazu im Vorfeld unseres Besuchs, „sonst eigentlich keine“. Letzteres sollte nicht unwidersprochen bleiben, ersteres hat sich allerdings eindrucksvoll bestätigt. Genau genommen schon auf dem Weg.
Willst du nach Dortmund, ist es nicht unwahrscheinlich, dass dein Flugzeug in Düsseldorf landet. Die folgende Reise mit dem Regionalzug gestaltet sich durchaus spannend – aus Ösi-Perspektive sowieso. In insgesamt 45 Minuten Fahrt reihen sich Orte aneinander, die jedem Gast aus dem Nachbarland mit Sicherheit ein Begriff sind: Duisburg, Essen, Bochum … . (Man oder frau stelle sich dasselbe in Österreich vor, sagen wir auf der Fahrt von Wien nach Linz: Krems, Ybbs, Perg … Mauthausen mal beiseite gelassen).

So viel Prominenz auf kleinem Raum hat natürlich Folgen. Für eine Abgrenzung von Stadt zu Stadt bleibt schlicht kein Platz, für Landschaft sowieso nicht. Das urbane Panorama reißt vor den Zugfenstern nicht ab. Entlang der Bahngleise präsentiert sich das Ruhrgebiet als einziger Ballungsraum: ein ineinander verwobenes Städtegeflecht, das Menschen in den Regionalzug spült und die Ausgespuckten wieder aufsaugt.

Die Sache mit dem Bier

Gefühlt jeder zweite dieser Lokalbahnreisenden (weibliche Fahrgäste sind ausdrücklich nicht mitgemeint), trägt einen Rucksack mit sich, aus dem das dumpfe Aneinanderschlagen voller Bierdosen dringt. Auf einer Fahrt von Düsseldorf nach Dortmund konnten mindestens fünf verschiedene Typen von Bierrucksackträgern ausgemacht werden, nur zwei davon bereits betrunken und dem Äußeren nach Kandidaten für eine Statistik zum Suchtproblem. Alle anderen absolut unauffällig. Fazit: Die Sache mit dem Bier beginnt schon ein Stück weit vor Dortmund. Und: Alkoholische  Selbstversorgung im Regionalzug ist auf dieser Strecke in jeder Hinsicht salonfähig. Zischend werden Dosen geöffnet (gerüttelt, nicht gerührt) und überschäumend ihrer Bestimmung zugeführt.

Die Sache mit dem Fußball

… ist schnell erzählt. Kommst du nach Dortmund, kommst du nicht daran vorbei. Verlässt du den Bahnhof, begrüßt dich ein BVB-Fanshop. Gehst du durch die Stadt, begegnen dir erwachsene Menschen in gelben Fußballtrikots. (Und nein, am Tag unseres Besuchs gab es kein Heimspiel. Fußball ist hier einfach immer.) Kehrst du in einer Gaststätte ein, laufen Fußballer (Fußballerinnen nicht mitgemeint) über den Flatscreen, ganz egal, ob‘s ein Burger-Laden ist oder eine altehrwürdige Bierstube.  Fußball ist hier einfach überall. Nicht nur im offiziellen nationalen Fußballmuseum des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), das sich natürlich ebenfalls in Dortmund befindet.

Die Sache mit der Architektur

Was mag es überhaupt für Gründe geben, eine Stadt zu besuchen. Meist wohl architektonische, oft historisch, seltener modern. In Dortmunds Geschichte nimmt der 12. März 1945 einen besonderen Platz ein. An diesem Tag erreichte die Zerstörung durch britische Luftangriffe bislang unbekannte Ausmaße. Über 1.000 Flugzeuge bombardierten die Stadt, 890 Tote wurden verzeichnet. Von historischer Baukultur ist hier folglich wenig zu sehen, vom Wiederaufbau im Sinne einer pragmatischen Moderne umso mehr. Doch eben diese Sachlichkeit beeindruckt, gepaart mit Relikten industrieller Form und Rhythmik. Back- und Naturstein dominieren als Material die Fassaden, ein großzügiger Umgang mit Raum schafft luftig urbane Perspektiven. Neue Großprojekte wie das mehr als  60 Meter hohe Verwaltungsgebäude des Volkswohl Bund greifen diese Merkmale auf. So entsteht Stadtraum, dessen Moderne bereits eine Geschichte erzählt – ein ungewöhnlicher Anblick für Touristen in Europa. Und ein mitunter überraschend harmonischer.

Die Sache mit dem Wahrzeichen

Geschichten erzählen wollen uns für gewöhnlich die Wahrzeichen. Das ist in Dortmund nicht anders. Das Goldene U prangt am Dach der ehemaligen Unionsbrauerei und verweist selbstbewusst auf die Fusion zweier Dinge, die diese Stadt stets ausgemacht haben. Bier und – nein, nicht Fußball – Industrie: industrielle Bierherstellung. Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende, denn heute erzählt das U auch beredt von der Abwanderung industrieller Produktion (im Fall der Brauerei seit 1994) und unübersichtlicher Übernahmen. Inzwischen wird  Dortmunder Union von der Dortmunder Actien-Brauerei hergestellt, die zur Radeberger-, die zur Oetker-Gruppe gehört. Und, ach ja, am ehemaligen Gelände der Brauerei Borussia, von der der BVB seinen Namen hat, steht seit geraumer Zeit das Dortmunder Brauereimuseum.  
Den besten Blick auf das goldene U hat man, wie unser Foto zeigt, übrigens nahe des Kiosk für Bergmann Bier, einer kleinen Craft-Bier-Marke, die hier in den Räumen vormaliger Arbeiter-Duschen ihren Straßenverkauf eingerichtet hat. So schließen sich die Kreise. Manchmal zumindest.