Markt ohne Angebot

Die lettische Erbse ist in Österreich beliebt. Dennoch führt sie kein Lebensmittelhändler. Wer will diese Lücke schließen?
2016
 

Es ist doch seltsam. Unlängst hab ich mit einer lettischen Musikerin gesprochen, die sich wie ich ob der Tatsache wunderte, dass die lettische Erbse hierzulande nicht erhältlich ist. Sie würde in der Alpenrepublik sicher reißenden Absatz finden, zumal ÖsterreicherInnen, die die Gelegenheit haben, das lettische Nationalgemüse (-getreide?) zu kosten, sich in der Regel begeistert zeigen. Leider waren auch Versuche, die Erbse auf heimischem Boden zu kultivieren und damit auf natürliche Weise hier anzusiedeln, erfolglos. Vielleicht ist das rauhe Gebirgsklima daran schuld, womöglich hat man es aber auch mit einem Fall von bösartiger Hybridkultur zu tun.

Die Wirtschaft ist doch stets auf der Suche nach Nischenprodukten, so sei dem Lebensmittelhandel die lettische Erbse ans Herz gelegt, besser noch einem vom Untergang bedrohten Greißler, der mit dem Schließen dieser Lücke möglicherweise den Hals aus der turbo-kapitalistischen Schlinge ziehen könnte. Um letzterem oder auch ersteren das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen, sei das klassische Rezept für die lettische Erbe angeführt. Weil man die Hauptzutat allerdings nicht bekommt – keine Ahnung ob es einen  Schwarzmarkt wie bei Drogen gibt – kann man sich das Gericht höchstens in der lukullischen Phantasie ausmalen. Oder man könnte die Mahlzeit dann zubereiten, wenn man – wie manche Unbescheidenen auch mal für einen Kaffee nach New York fliegen – sich entweder per Hubschrauber oder per ICE zu einem Kurztripp zum „Spar“ von Riga aufmachen würde. Auszahlen würde es sich jedenfalls. Denn die lettische Erbse am sonntäglichen Mittagstisch zu servieren, geschähe sicher zur Freude aller Familienmitglieder. Denn eines ist gewiss und das ganz ohne Ironie, die lettische Erbse ist in Österreich beliebt.

Es ist schon lange her, als ich das klassische Letten-Erbsengericht zubereitet habe, möglicherweise ist das Rezept im meinem Hirn schon etwas verdampft, aber so ähnlich oder nur mäßig anders muss es wohl gelautet haben: Lettische Erbsen einige Zeit einweichen (wie Linsen) und bissfest weich kochen. Speck (Hamburger, besser Kärntner) würfeln und in einer Pfanne auslassen bzw. anbraten. Fein gehackten Zwiebel dazugeben und mitanbraten. (Ob das Multischalengemüse allerdings überhaupt dazugehört ist der eigentliche Unsicherheitsfaktor dieses Rezepts.) Am Schluss die gekochten Erbsen unter das Speck-Zwiebelgemisch heben und zur gleichmäßigen Verteilung der Komponenten verrühren (rein gedanklich). Mit Salz und Pfeffer abschmecken (sprich im Stammhirn kosten) und mit einem Gläschen Bier genießen (in der Vorstellung). Guten Appetit, auch wenn Sie das Gericht höchstwahr-scheinlich nur imaginär essen werden können.