To Hum it may concern

Die kleinste Stadt der Welt, das kroatische Hum, wirft große Fragen auf. Auch wenn nicht alle beantwortet werden – ein Besuch lohnt aus vielen Gründen.
08. 2021
 

Es tut eigentlich nichts zur Sache, dass ich den Abstecher nach Hum in Westkroatien in Begleitung einer russischen Familie gemacht habe. Weshalb ich mir diese Erwähnung auch hätte sparen können. Aber es war nun einmal mein russischer Bekannter, der als erster die Frage gestellt hat, ob von diesem Wort und damit von dieser Stadt die Bezeichnung Humus als fruchtbare Erde herkomme. Nicht übermäßig originell der Gedanke, zugegeben, aber auch nicht völlig jenseitig. Die Frage hat, wie man im Russischen heute so gern sagt, „ihre Existenzberechtigung“. Die Antwort: Nein, das Wort kommt nicht von dort.

Was wir uns sonst noch so zu Hum, hervorgegangen aus einer Festung, fragten: ob die beiden Männer im frühen Pensionsalter, die vor dem Parkplatz Parktickets verkauften und von denen zumindest einer aufgrund seiner Tätowierung „Guja“ (zu Deutsch: „Natter“) auf dem Arm wie ein pensionierter Ex-Häftling wirkte, vielleicht der ehrenamtliche Bürgermeister und sein Vize waren. Die Stadt nämlich hat – und das ist das Besondere – gerade einmal 17 Einwohner, womit es angeblich die kleinste Stadt der Welt ist, als die sie auch Eingang ins Guinness Buch der Rekorde fand. Und da muss simpel gerechnet wirklich jeder überall mitanpacken, damit sich alles und vor allem das Überleben – inklusive Parkplatzbewirtschaftung – ausgeht. Wir haben uns letztlich das mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister und seinem Vize (ehrenamtlich deshalb, da Hum verwaltungstechnisch zur 14 Kilometer entfernten Gemeinde Buzet gehört) zu spät gefragt, als wir die Stadt schon wieder verlassen haben, weshalb wir auch keine Antwort darauf haben.

Was wir hingegen sicher wissen, ist, dass die Stadt richtig schön ist. Fast wie ein Museum. Aber doch nicht putzig wie Hallstatt und andere Museumsstädte, was ein wahrer Vorteil ist. Ein paar Wohnungen, die auch als Ferienwohnung zu haben sind, ein paar leicht verfallende Häuser, eine relativ neu renovierte Kirche. Ein kleines Gasthaus, genannt „Humska Konoba“, in dem es auf der Veranda ständig – zumindest im Spätsommer und Herbst – leicht nach Trüffel riecht, weil schließlich jede dritte Speise mit dieser regionalen Spezialzutat zubereitet wird. Und dann noch die relativ berühmte romanische Friedhofskirche außerhalb der Stadtmauern, die halt leider geschlossen war. Will man offenbar nicht herzeigen. Dabei hätte das Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert einiges zu bieten. Einmal abgesehen davon, dass es dem Heiligen Hieronymus geweiht ist, dem Kirchenvater, der im vierten Jahrhundert auf Istrien geboren wurde, ein Heißläufer war und die lateinische Bibelübersetzung Vulgata verfasst hat. In seinem Inneren birgt das Gotteshaus auch Fresken, die von der byzantinischen Malerei beeinflusst worden sind. Dazu Wandtafeln aus dem 12. Jahrhundert, die als älteste Zeugnisse der glagolitischen Schrift gelten.

Sperrt man die Kirche nicht so selbstverständlich auf, so trägt Hum was anderes umso lieber zur Schau. Nämlich die erwähnte Glagolica, die glagolitische Schrift, ihres Zeichens die älteste Schrift der Slawen. Die Schrift wurde ja vom byzantinischen Mönch Kyrill als Buchstabenschrift für die slawischen Sprachen entwickelt, in wenigen Jahrhunderten aber von der kyrillischen Schrift abgelöst. Interessanterweise hielt sie sich am längsten auf der Insel Krk und im norwestkroatischen Istrien, wo sie kurioserweise in der katholischen Liturgie weiterverwendet wurde. Sie wurde hier zu einem nationalen Symbol, das dabei half, sich vom lateinischen Westen und vom orthodoxen Osten abzugrenzen.

Die Stadt Hum also verstand sich lange als kulturelles Zentrum der Glagoliza, weshalb man in den 1970er und 1980er Jahren auf die Idee kam, hier zwischen Hum und der Nachbargemeinde Roč eine sechs Kilometer lange Allee mit Steinskulpturen zu errichten, die an die Entwicklung dieser Schrift erinnern.

Wir hingegen möchten daran erinnern, dass sich ein Besuch in Hum sehr lohnt. Und wer den Mann mit der Tätowierung dort sieht, bitte fragen, ob er und sein Kollege die Stadtvorsteher sind.